Noch in den 2000er Jahren war «false balance» oder die «falsche Ausgewogenheit» ein Problem des Journalismus, der meinte, neutral vorzugehen. Da jedes Thema mindestens zwei Seiten hat, wollte man sozusagen im Zeichen der Objektivität diese beiden Seiten gleichberechtigt, d.h. mit gleich grosser Spaltenanzahl oder gleich langer Redezeit zur Sprache kommen lassen. Dabei wurde unterschlagen, dass die sich widersprechenden Standpunkte jeweils von Personen mit komplett unterschiedlichen (fachlichen) Hintergründen vertreten wurden: Fakten wurden einer Meinung gegenübergestellt oder die langjährige Forschung der Wissenschaftsgemeinde (scientific community) gleich gewichtet wie eine individuelle Behauptung.
Red. Die Zeitung «La Stampa» gehört zur Gruppo Editoriale GEDI, in deren Verwaltungsrat vorgestern TX-Group-Verleger Pietro Supino gewählt worden ist. Siehe die Details weiter unten.
Nach persönlicher – telefonischer – Absprache zwischen Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und Russlands Präsident Wladimir Putin landeten am 24. März 2020 15 russische Transportmaschinen auf einem italienischen Militärflugplatz in der Nähe von Rom. Sie brachten medizinisches Material, unter anderem Beatmungsgeräte, und rund hundert medizinische Hilfskräfte, Virologen, Epidemiologen und andere Ärzte. Die Hilfsgüter und die eingeflogenen Ärzte wurden mit Lastkraftwagen nach Norden in die Lombardei gebracht, wo die Covid-19-Pandemie am schlimmsten wütete. Für Russland war das neben echter Hilfe eine willkommene Gelegenheit, auch politischen Goodwill zu schaffen. Es gab wie erwartet viele Zeichen der Dankbarkeit, hörbar am Radio und sichtbar im italienischen Fernsehen. Neben Russland halfen in Italien auch kubanische Ärzte und Ärzte aus dem kleinen Albanien. Hilfe aus der EU allerdings war zu jener Zeit noch nicht in Sicht.
La Stampa: «Unnützes Material»